Bei den Schüler*innen unseres Workshops in Polen war die Befürchtung verbreitet, dass Politiker*innen teilweise zum eigenen Vorteil handeln. In der Werkstatt, die JUBU im südpolnischen Rzeszów im Rahmen einer internationalen Sommerschule organisiert hatte, kam jedenfalls einige Skepsis zum Ausdruck. Vielleicht ein Argument mehr, sich auf der Suche nach neuen Formen der Demokratie zu machen.
Die Veranstaltung war Bestandteil des Programms des Jean Monnet Centre of Excellence der Universität Leipzig, dessen Kooperationspartner JUBU ist. Die Kolleg*innen aus Leipzig hatten die Sommerschule zusammen mit der Universität Rzeszów vorbereitet. Weitere Unterstützung kam von der Heinrich Böll Stiftung Warschau, die ermöglichte, dass Teilnehmer*innen aus verschiedenen Ländern Zentral- und Osteuropas anreisen konnten und von denen einige auch am JUBU-Schüler*innen Workshop teilgenommen haben.
So erzählte eine ukrainische Doktorandin aus Charkiw, dass sie als Mitglied des Jugendparlamentes in der Zeit vor dem Krieg die Einführung eines Bürgerbudgets angeregt hatte, was die Stadtverwaltung tatsächlich umgesetzt hat. Dort hat sie dann die Finanzierung von Kunstprojekten eingereicht.
Im Nachbarland Polen ist hingegen für Großstädte wie Rzeszów die Durchführung eines Bürgerbudgets Pflichtaufgabe –die Stadt ist auch Hauptstadt der Woiwodschaft des Karpatenvorlandes. Und eine Adhoc-Umfrage unter den Teilnehmenden hat gezeigt, dass fast alle von dem Verfahren wissen, es aber bisher kaum selbst genutzt hatten. Hier kam das JUBU-Projekt ins Spiel, wir berichteten wie Jugendliche in Eberswalde, Potsdam und Nuthetal zu ihren Vorschlägen gekommen sind. Dies war auch Gelegenheit den Film unserer Kolleg*innen von Citizens for Europe zu zeigen (siehe Newsmeldung). In dem Video befragen sich junge Leute gegenseitig zum Bürgerbudget der Barnimer Kleinstadt – dank englischer Untertitel auch international gut verständlich.
Anschließend wurde es sehr konkret: In Kleingruppen wurde an Vorschlägen für das Bürgerbudget in Rzeszów gestartet, dessen Einreichungsfrist in diesen Tagen beginnt und bis Ende des Monats reicht. Die Stadt sieht drei Arten von Projekten vor: gesamtstädtisch, für den Stadtteil und für Bereiche wie Kunst und Kultur. Letzteres war bei den Schüler*innen, des polnisch-englischsprachigen Universitäts-Gymnasiums sehr attraktiv: So wurde unter dem Titel „Sounds vor Rzeszów“ von einer Gruppe ein Picknick-Konzert (20.000 PLN) vorgeschlagen, andere entschieden sich für Konzert und Workshops mit der Ukulele-Gitarre (5.000 PLN). Die dritte Gruppe möchte einen Platz begrünen und dafür 20.000 PLN investieren lassen. Die Preise für Blumen und Rasen pro Quadratmeter können dabei einer Preisliste entnommen werden, die manche polnischen Städte ihren Einwohner*innen zur Verfügung stellen.
In der Abschlussrunde sagten einige, dass es ihnen nicht klar war, dass es so einfach ist, einen Vorschlag einzureichen. Eine kleine Hürde gibt es aber noch zu nehmen: Denn für einen Vorschlag braucht es 15 Unterschriften, die noch zu sammeln sind. In einem waren die Schüler*innen aber jetzt schon einig: Für den Wiederaufbau von Charkiw wäre für die Beteiligung der Bewohner*innen ein Bürgerbudget sehr geeignet.
JUBU bedankt sich in diesem Sinne bei alle Beteiligten, insbesondere aber bei Dr. Anna Kołomycew von der Universität Rzeszów, mit der zusammen wir den Workshop durchführen durften. Für uns war die Veranstaltung eine gute Gelegenheit, ein Tagesworkshop-Format zur Ausarbeitung von Bürgerbudget-Vorschläge zu entwickeln. Eine Erfahrung die wir bei nächster Gelegenheit gerne wiederholen!